Reisetagebuch II

Rückreise

Ich reise nicht gern. Nein, stimmt nicht, ich reise sehr gerne. Aber ich bin ein Vertreter der nervösen Sorte. Tage vor Reisetermin bin ich angespannt, überlege ständig, ob ich alles habe. Ich kontrolliere gefühlte 1000mal das Ablaufdatum meines Ausweises, Bordkarte gedruckt, den Flug auch vom richtigen Flughafen gebucht? Selbst auf dem Weg zum Flughafen schaue ich immer wieder in die Tasche, ob Geld, Papiere usw "am Mann" sind. Ich versuche plane mit militärischer Präzision.

Rückreisetag. Null fünfhundert aufstehen, Bad-Kaffee-Bad. Anschließend Marsch mit Kfz zum Bahnhof. Von dort mittels öffentlichem Schienenverkehr nach Venedig-Mestre. Alles läuft erstaunlich glatt. Ich entspanne mich, habe alles im Griff. In Mestre, dem, Venezia vorgelagertem, Kleinod angekommen, rauche ich lässig eine Zigarette. Ich strahle die Ruhe eines Weltreisenden aus.

Nun den Bus zum Airport nehmen, kommt ja sicherlich gleich. Die Reisenden um mich herum werden nervös-diese armen Narren. Doch der Bus kommt irgendwie nicht, ich lausche mal was andere so sagen. Von Streik wird gesprochen. Und Tatsächlich, der öffentliche Nahverkehr wird bestreikt. Heute, wo ICH doch auf einen reibungslosen Ablauf gebaut hatte. Ok, kein Grund der Panik, auf zum Taxistand. Die Idee hatten andere aber anscheinend auch schon. Mestre, dieses, Venedig vorgelagerte, Drecksnest, verfügt anscheinend auch nur über zwei Taxen. Die beiden Taxisten machen das Geschäft ihres Lebens. Nach ner Stunde und unzähligen Blicken auf die Uhr komme ich an die Reihe, zeitgleich mit dem bestreikten Bus. Kurz nachgerechnet nachgedacht. Koffer untern Arm, im Schweinsgalopp rüber zum Bus, bin halt doch gebürtiger Schwabe.

Der Busfahrer erkennt den Ernst der Lage, wir nicken uns wie kampferprobte Elitesoldaten zu. Entschlossen setzt er seine Sonnenbrille auf, legt den Hebel des Automatikgetriebes auf "Sportiv" und ab gehts in flottem Tempo und beeindruckender Kurventechnik gen Flughafen. Wenn's so läuft, klappts. Damit es so läuft, strecke ich jeden nieder, der sich dem Stop-Knopf nähert, naja zumindest bekommt jeder nen bösen Blick zugeworfen.

Irgendwann kommen wir am Airport auch an. Dann noch ne Megawarteschlange durch den Sicherheitscheck. Noch ca 40Minuten bis zum Start, ich beginne immer mehr zu Schwitzen, meine Lässigkeit ist gänzlich verschwunden, Panik breitet sich im Körper aus. Doch erstaunlich schnell bin ich durch die Kontrolle (über deren Qualität andere zu befinden haben). Völlig durchnässt komme ich an MEINEM Gate an. Abflug in ca 20 Minuten. Nun stehe ich in einer Horde ekelhaft gutgelaunter Venedigtouristen, es ist geschafft. Dies ist das offizielle Ende meines Urlaubs. Das der Flieger ne halbe Stunde Verspätung hat nehme ich als persönliche Beleidigung wahr. Ich ringe um meine coole Ausstrahlung, was mir dann auch gelingt. Im Flieger sitze ich neben dem Prinz aus Zamunda, der eine ähnlich spannende Anreise hatte. Er sagte irgendwas von Schiffstransfer nach Lampedusa und nem überfüllten Hotel. Egal, ich lege meinen Kopf auf seine Schulter und schlafe ein.

Mit meiner triumphalen Rückkehr in Bremen, empfangen von kreischenden Frauen jeder Altersklasse, schließt sich das Reisetagebuch II.

ohne Befund

Mein Aufenthalt neigt sich so langsam dem Ende entgegen. Wiedereinmal habe ich den Eindruck, dass die Zeit viel zu schnell vergangen ist bzw ich mal wieder zu wenig aus ihr gemacht habe. Aus meiner Arbeitssuche ist, mal wieder, nichts entsprungen. Ich habe bei 5 Stellen vorgesprochen, die Angebote ausgeschrieben hatten aber ohne Irgendeinen Erfolg. Natuerlich konnte ich nicht erwarten, dass es auf Anhieb klappt, trotzdem bin ich etwas niedergeschlagen. Bei dem Gedanken wieder in die Tanke zu muessen, wird mir schlecht.
Naja, ich werde jetzt noch versuchen, die letzten Tage irgendwie zu geniessen.
p.s.:Es waere schoen, wenn ich die Gedanken und Ideen, die ich hier habe irgendwie auch mal in die Tat umsetzen koennte.

Buona domenica

Am 3. Tag in Folge fragt mich ein Penner alter Mann, ob ich ihm etwas Geld für nen Kaffee geben könne. Um mein Image als netter Kerl nicht zu zerstören, drücke ich ihm zum 3. mal nen € in die dreckige Hand und wünsche ihm buona domenica.
Morgen nehme ich nen anderen Weg, sonst bin ich bald pleite.

Nick mit dem Kopf und sag: JaJa

Der häusliche Frieden ist gerade etwas gestört. Die verhasste Schwester/Schwägerin zu gleich meine Tante nebst angetrautem Gatten hat einen Stopp in Triest eingelegt. Sonst nicht meine Stärkste Seite, füge ich mich diplomatisch in die Gesamtsituation ein. Die allwissende Tante schwallt mich mit Geschichten und weiterer Scheiße aus Griechenland zu. Langweilig, uninteressant und einige andere Worte schwirren in glitzernder Leuchtschrift durch mein, auf Stand-by geschaltetes Hirn. Ich nicke mit dem Kopf.Ich nicke mit dem Kopf. Ich nicke mit dem Kopf und versuche mein aufkommendes Tourette-Syndrom zu unterdrücken und flüchte mich in die kleine Küche, von der ich mir ähnliche Sicherheit erwarte, wie einst unser Liebling Osama B.L. von der Höhlenregion Tora Bora. Doch die Rechnung ohne die Tante gemacht, sie steht vor mir in der Küche, kein Ausweg. Mit dem Rücken zur Wand nicke ich mit dem Kopf und nicke, und nicke... .


Ich setze mich ab; Fahrer! Zum Meer! husch, husch.

Barcola

Auf meiner Flucht hat es mich nach Barcola verschlagen. Eine Kilometerlange Strandpromenade bis zum Schloss Miramare. Ich steige aus, schaue über die Schultern. Keine Tante weit und breit. Meine Muskeln entspannen sich, ich atme erleichtert auf.
Hier in Barcola wird flaniert, sinniert oder einfach das Meer genossen. Wer seinen Körper trainieren will, joggt. NordicWalking hat sich bis dato glücklicherweise noch nicht durchgesetzt. Richtig coole Typen sitzen eh auf ner Bank und tun so, als würden sie große Weltliteratur in ihr Moleskine-Büchlein kritzeln.

Ich genieße den Sonnenuntergang. Ein wunderbarer Nachmittag.

HEY PUSSY! ALLES KLAR?!

Ich sitze in der kleinen Küche, dem schönsten Platz im Haus. Die kleine Mokamaschine sprudelt, fröhlich gurgelnd, den Kaffee aus; die Sonne erwärmt meinen Rücken. Zwar sitzt keine Herzdame auf der Treppe die zu diesem Ort des Friedens führt aber trotzdem ist es eine nahezu perfekte Szene. Stattdessen sitzt der labile psychisch gestörte Kater vor den Stufen und rammelt sich an einer Decke die Morgengeilheit aus dem Leib. Mir wird etwas übel, daher ziehe ich mich in die Küche zurück und verzichte heute auf den Schuss Milch im Kaffee.

Revolution jetzt.

10:00hUm die Szene mit dem irren Kater aus dem Kopf zu bekommen, entschließe ich mich in die Stadt auf die Piazza zu fahren, um dem Start der Trieste-Opicina Rallye beizuwohnen. Schöne Autos von Zahnärzten, Anwälten und ähnlichen Sympathieträgeren, von denen wohl kaum einer weiß, wo der Motor ist. (Ja, ich gebe zu: Ich bin neidisch). Im Fahrerfeld allerdings auch einige Fahrerinnen, tolle Frauen. ( Das ist ja eine meiner geheimen Fantasien in Bezug auf DIE Traumfrau. Eine, die sich für alten scheiß begeistern kann und jeden Unsinn mitmacht. Ne patente halt, die bei nem 17er Schlüssel nicht sagt: Da is doch keine Tür.
11:30h Ich sitze zum wiederholten Mal im selben Café. Zum 2. Mal im selben Café, ergo: Lieblings Café of the month. Dort wird fair gehandelter Kaffee, Kekse usw verkauft. Und ein wirklich sehr guter, selbst gebackener Kuchen auch noch. Das Publikum ist gemischt. Hippster und Styler neben alternativen Stereotypen. Klar, dass ich als ultimativer Geilomat-Endstyler meinen Platz sofort gefunden habe.
Wie es sich für einen solchen Laden gehört, sind die Ausschreitungen in Rom im Zuge des "global outrage" und der "Occupy Wall Street" Bewegung, das Thema des Tages.

Warum ich den Laden zu meinem Lieblings cafe erklärt habe? Weil er Knulp heißt, nach meiner literarischen Lieblingsfigur. So einfach ist das.

Ich bezahle fair meine Rechnung und verlasse, die Internationale pfeifend den Laden. VIVA EL CHE! VIVA LA REVOLUCION! VIVA!

14/10/11

Keine Ahnung, was mich heute geritten hat. Bei meiner morgendlichen Runde durchs Dorf habe ne Pause in der Kirche von Servola eingelegt. Nicht, dass ich irgendwie religiöses wäre aber Kirchen mag ich. Diese besonders, dort wurde ich getauft. Kurz darauf wurde der Pfaffe vom Auto überfahren. Einen kausalen Zusammenhang herzustellen, verbitte ich mir. Mehr als die Bedeutung als christliche Kultstätte, gefallen mir (alte) Kirchen als Bauwerk. Die Fresken und Statuen sehe ich als Kunstwerke. Nicht mehr, nicht weniger.
Bei diesen Gelegenheiten stelle ich mir oft die Frage, warum jemand "glaubt" bzw, ob ich an etwas glaube. Zumindest bin ich mir sicher, dass ich nicht "gläubig" bin im Sinne irgendeiner Kirche. Allerdings fühle ich mich auch unwohl, wenn ich sage: Ich glaube an gar nichts. An irgendwas sollte man doch schon glauben oder nicht? An einen Gott. An einen Guru. Oder eben an die Naturgesetze. Mir fehlt irgendwie die spirituelle Ader. evtl bin ich irgendwo zwischen Agnostiker und Nihilist angesiedelt.

Am Nachmittag habe ich mit einer Dame vom hiesigen Goethe-Institut getroffen. Diese stellte sich als äußerst nette und sympathische junge Frau heraus. Unterm Strich ein nettes Gespräch und evtl eine erste Kontaktaufnahme.

N'Abend Allerseits

Mal eine kleine Zusammenfassung der letzten Tage. Der Ausflug ins Nachtleben war ein sehr ruhiger, waren Essen und dann eine kleine Kneipentour aber kein Besaeufnis. Die Stadt war wegen der Barcolana, einer Segelregatta, ueberfuellt. Und ich sach ma: Segler sind ein eigenartiges Gewaechs. Denke, naechtes Wochenende wird besser.

Heute sind Bruder nebst DIE NEFFEN abgereist, ich habe die drei nach Venedig begleitet. Irgendwie bin ich traurig, dass die drei nicht mehr hier sind. Mit den Kindern war immer action und Bruder und ich sind uns naeher gekommen, glaube ich. Zumindest haben wir uns schon ewig nicht mehr so viel und so gut unterhalten. In Bremen angekommen haben wir telefoniert und er hat sich bei mir fuer die Unterstuetzung bedankt. Wer meine Familie kennt, weiss, dass das keine Selbstverstaendlichkeit ist, also das bedanken. Entsprechend ueberrascht und geruehrt war ich.

Ich traeume derweil vor mich hin, vom einem Leben und wie es sein koennte, von romantischer Liebe und von solchen Dingen.
Onkel und Tante sind heute ausser Haus, ich hab mich entspannt vorm TV geparkt, mir ne Pizza geholt und haenge halt meinen Gedanken etwas nach.

Ich wuensche allseits einen ebenso entspannten Abend.

Super-Onkel im Einsatz

Also viel spektakulaeres gibt es nicht zu Berichten. Die Tage sind von Kinderbelustigung und von kleinen bis mittelgrossen Dramen gepraegt. Alles in Allem ist es aber mit den beiden recht lustig. Der kleine Matteo mag mich wohl, Ok es ist nicht so schwer das Herz eines Babys zu Gewinnen. Ich fuetter ihn und bespasse ihn. Das ist mein Job als Onkel. Geppi ist da schon anstrengender, er sabbelt in einer Tour und entdeckt immer was Neues. Ich bin aber froh, dass wir zusammen im Urlaub sind. Naechste Woche hauen die drei wieder ab.
Mit Bruder laeufts auch ganz gut, unterhalten uns relativ viel. Keine innige Bruderliebe aber wie zwei Kumpels halt, wir sitzen Abends auf der Mauer und gucken bei ner Dose Bier auf die Lichter der Grossen Stadt.
Durch den Stress die Ablenkung durch die Kinder ist bisher wenig Zeit fuer Melancholie in der Suedsee, ein paar wehmuetige Gedanken an .... sind natuerlich immer mal da. Aber bisher mehr als bittersuesser Schmerz, den man als Romantiker alter Schule doch im Griff hat und ja auch brauchtHeute war der erste Regentag, Temperatursturz um 15Grad Celsius und ziemlich viel Wind aber selbst das kann meine Stimmung nicht trueben.

Morgen (Samstag) gehts auf Erkundungstour ins Triestiner Nachtleben, eingeladen von Fabio und seiner Gang. Denke das habe ich mir verdient. Mal sehen, was da so geht.

So, Freunde der leichten Unterhaltung, ich muss auf die Mauer.

Mico

Harte Zeiten für Träumer

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