Endspurt
Der weihnachtliche Terror nähert sich langsam dem Höhepunkt. Die Menschen rennen immer hektischer umher, werden immer unfreundlicher. Kein Hauch von besinnlicher Stimmung. Die Kernschmelze steht kurz bevor. Und morgen wird schlagartig Ruhe auf den Straßen eintreten. Das ist die Zeit, die ich mag. Fühle ich mich sonst einsam, bzw empfinde ich dies als quälend, so fühle ich mich in diesen Stunden irgendwie frei. Habe keine Verpflichtungen.
Es ist, als säße ich in einem Gefängnis. 23Std Einschluss, 1Std Hofgang. Zu den Feiertagen verlassen die Schließer das Gefängnis, lassen alle Türen und Tore offen. Es ist absolute Stille im gesamten Trakt. Verwundert erhebe ich mich von meiner Pritsche, gehe zur Zellentür übertrete aber die Schwelle nicht. Schaue auf den endlosen Flur, links dann rechts. Keine Menschenseele da, ich bin frei. Ich gehe zurück auf meine Pritsche, die Arme hinterm Kopf verschränkt, blicke ich an die Decke. Die halbnackte Frau auf dem Poster sagt: Steh auf und renn weg. Niemand würde meine Flucht bemerken. Doch ich liege da und alles was ich höre ist Herzschlag.
Manchmal denke ich, daß mein Weihnachtsgefühl besinnlicher ist als von so manch andern.